Die Berneckschule ist nicht umsonst „Startchancen-Schule“
Viele Probleme von Raumnot bis fehlender Mensa
Ein großes Platzproblem hat die Berneckschule. Trotz der vor einigen Jahren errichteten Module reichen die Räume längst nicht mehr aus, um alle Kinder auf dem Schulgelände an der Berneckstraße zu unterrichten. Außerdem: Es fehlt eine eigene Mensa. Bei einem Pressegespräch haben Vertreterinnen der Eltern, die Schulleitung sowie Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr, Fachbereichsleiter Bent Liebrich und Abteilungsleiterin Kerstin Flaig über die Lage berichtet und welche Verbesserungen die Stadt plant.
Schramberg. Betritt man das Schulgebäude, das dieses Jahr 40 Jahre alt wird, merkt man, es ist eng. Kinder haben ihre Schultaschen im Foyer und den Gängen abgeladen. Die Kleiderhaken vor den Klassenzimmern sind voll. Die Schule einst für drei Züge geplant hat nun vier Züge. In Modulbauten, die die Stadt vor einigen Jahren aufbauen ließ, sind mehrere Klassen untergebracht.
Ausgelagert
Im Gymnasium auf der anderen Straßenseite unterrichten die Lehrerinnen und Lehrer zwei vierte Klassen. Auch zum Mittagessen müssen die Kinder über die Straße ins Gymnasium. Am Nachmittag wandern einige Gruppen hinüber ins „Eulennest“. Im Cityhochhaus im ehemaligen Adessa-Laden hat die Stadt einen Bewegungsraum eingerichtet.
Als letztes Frühjahr klar war, die Schule braucht unbedingt weitere Räume, hat der Rat einen weiteren Modulanbau beschlossen.
Warten auf die Baugenehmigung
Jetzt endlich liegt der Bauantrag im Baurechtsamt und wartet auf Genehmigung. „Wir rechnen fest damit, dass die Module zum Schuljahresbeginn stehen“, versichert Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr. Das Problem: erst muss die Baugenehmigung vorliegen, dann kann die Stadt die Module bestellen.
Die neuen Module würden der Schule etwas helfen, so Schulleiter Karsten Krawczyk. Durch geschicktes Klassenraumjonglieren würden drei Räume im Hauptgebäude frei. Der Unterricht im Gymnasium sei für beide Seiten schwierig. Das Gymnasium hat ein anderes Zeitraster. Die einen Kinder haben Pause – und stören die, die Unterricht haben. Außerdem sei es personal- und zeitaufwändig, wenn nicht alle Klassen an einem Platz unterrichtet werden. „Die Kinder müssen immer von ein bis zwei Personen begleitet werden.“
Für Fachunterricht wie Musik oder Sport müssen sie zurück ins Hauptgebäude.
Auswärts im Auswärtigen-Zimmer
Dasselbe gelte für die Mensa, die sich in einem früheren Auswärtigen-Zimmer des Gymnasiums befindet. Etwa die Hälfte der 350 Kinder gehen zum Mensaessen. Die Helferinnen verköstigen die Kinder in drei Schichten je 30 Minuten. „Für Kinder ist das sehr wenig Zeit. Die nehmen nicht einfach Schnitzel, Pommes und Salat. Die stehen an der Theke und überlegen, mag ich diese Pommes…“ schildert Krawczyk kindliches Verhalten.
Viele Kinder verzichteten deshalb aufs Mensaessen, weil es ihnen „zu stressig ist“, wie Alexandra Zink-Colacicco von ihren eigenen Sohn weiß. Diese Kinder nehmen für die Mittagszeit ein Vesper von zuhause mit. An „starken Tagen“ können die Grundschüler auch die Gymnasiums-Mensa mit nutzen, berichtet Kerstin Flaig. Das bringe aber das dortige Personal unter Druck.
Das alles sei „kein Idealzustand“, bestätigt OB Eisenlohr. Die Stadt habe nach Möglichkeiten im Umfeld gesucht: eine leerstehende Kneipe, die Flächen von Eisen-Storz, einen nicht genutzten Laden im City-Hochhaus. Alles habe sich als ungeeignet erwiesen, weil zu klein oder weil Toiletten fehlten.
Startchancen-Schule
Die Berneckschule ist die einzige Schule, im Kreis Rottweil, die ins Bundesprogramm „Startchancen-Schulen“ aufgenommen wurde, so Schulleiter Krawczyk. Dieses Programm soll zehn Jahre laufen und insgesamt 2000 Schulen in Deutschland fördern. Für die Berneckschule stünden etwa 1,1 Millionen Euro „für die Förderung einer zeitgemäßen und förderlichen Lernumgebung“ in diesen zehn Jahren bereit, berichtet Kerstin Flaig.
Weiter erhalte die Schule schon in diesem und den nächsten Schuljahren ungefähr 35.000 Euro „für bedarfsgerechte Lösungen zur Schul- und Unterrichtsentwicklung. Die dritte Säule dient der „Stärkung multiprofessioneller Teams“. Von den dafür bereitgestellten 82.000 Euro finanziert die Stadt eine Schulsozialarbeiterstelle.
Eine besondere Schule
In die Berneckschule gehen viele Kinder aus Flüchtlingsfamilien und Familien, die aus der Ukraine vor dem Krieg geflohen sind. Auch der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund ist in der Talstadt besonders hoch.
Schließlich ist die Berneckschule Inklusionsschule, informiert Krawczyk. Hier werden 20 Kinder mit einer Behinderung unterrichtet. All das hat dazu geführt, dass der Bund entschieden hat, die Berneckschule in das Startchancenprogramm aufzunehmen.
Ganztagsschule
Aus pädagogischen Gründen spreche viel für den von der Bundesregierung beschlossenen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz ab 2026, so Krawczyk. Deutschland sei das einzige OECD-Land, in dem der Halbtagsbetrieb üblich sei. Gerade für Kinder, die zuhause wenig Möglichkeiten zum Lernen haben, sei die längere Betreuung wichtig. Klar sei aber auch, dass man nicht einfach den Vormittag in den Nachmittag verlängern könne. Da müssten die Schulen andere Angebote machen.
Auch Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr begrüßt den Ganztagsunterricht. Nur der Rechtsanspruch sei den Kommunen vorgegeben worden, ohne zu sagen, wie er umgesetzt werden soll. Mit Angeboten von Vereinen sei das nicht zu leisten. „Unsere Kinder sind anspruchsvoll“, gibt Krawczyk zu bedenken. Viele hätten mangelnde Deutschkenntnisse beispielsweise. „Da braucht es Profis.“
Ferienbetreuung: viele Fragen, wenig Antworten
Völlig unklar sei, wie die Betreuung in den Ferien laufen soll. Werden verschiedene Kommunen zusammenarbeiten, was macht der Landkreis? Der Leiter des JUKS Marcel Dreyer habe in dem Zusammenhang ausgerechnet, dass Kinder künftig weniger Ferien zur eigenen freien Verfügung haben als berufstätige Erwachsene, so Eisenlohr.
Offen sei auch, wer denn Anspruch auf die Ferienbetreuung habe, ergänzte Flaig: Nur die Ganztagsschüler oder alle? Bei der Berneckschule würde das nach aktuellen Zahlen bedeuten 220 oder 350 oder eventuell noch Kinder aus dem Umland?
Schon seit zwei Jahren machten sich beim JUKS die Verantwortlichen Gedanken, wie man den Ganztag und die Ferienbetreuung umsetzen kann. „Aber es fehlen konkrete Informationen“, monierte Eisenlohr, „wie wir es machen sollen.“ Wichtig sei, dass die Kinder in den Ferien besondere Erlebnisse haben. Es gebe Kinder, für die ein Einkauf im Kaufland oder ein schwimmbadbesuch, das Wichtigste in den Sommerferien war, ergänzte Krawczyk. „Für diese Kinder brauchen wir ein Angebot.“
Schulcampus und Berneckschule: gleich behandeln
Der Gemeinderat hat beschlossen, dass die Berneckschule entgegen den ursprünglichen Plänen am angestammten Platz bleiben und nicht im neuen Schulcampus neu gebaut werden soll. Dies begrüßten die Eltern und die Lehrerschaft. Ungut angekommen ist bei den Eltern, der Vorwurf, die Berneckschule werde bevorzugt. „Da haben wir aufgehorcht“, so Zink-Colacicco.
Es gehe nicht um Bevorzugung, aber man müsse sehen, dass die Berneckschule im Vergleich zu den anderen Grundschulen in Sulgen, Tennenbronn und Waldmössingen eine besondere Schülergruppe zu betreuen habe.
Auch bezogen auf den Schulcampus wünschten die Eltern keine Bevorzugung, aber das beide Projekte Priorität bekommen. Bent Liebrich sagte den Fertigstellungstermin für die neuen Module für September fest zu. Als weitere Interimslösung werde die Verwaltung auch prüfen, wie man die freiwerdenden Module von Don-Bosco und Kirchplatz-Kindergarten künftig sinnvoll verwenden könnte. „Wir haben da ein paar Maßnahmen für Zwischenlösungen in der Pipeline.“
Krawczyk ergänzte, seine Schule habe Bedarf, wolle aber „niemandem die Butter vom Brot nehmen“. Er vermute, im Rat sei das Anwachsen der Berneckschule nicht richtig wahrgenommen worden. Vielleicht sollte sich der Rat direkt ein Bild vor Ort machen?
NRWZ.de Newsletter - hier direkt bestellen